– Träumt wie die Kinder – Eva –

Eva lag in ihrem neuen Bett. Ihre Eltern hatten es schon aufgebaut, obwohl sie erst morgen sieben Jahre alt wurde. Es duftete fein nach Sandelholz. Und war mit Blumenintarsien verziert.

Sie dachte an ihre Großmutter. Als sie letztes Jahr starb, war Eva sehr traurig gewesen. Schon Monate vor ihrem Tod, sprach sie mit ihr darüber, daß ihre Zeit bald kommen wird. Und so besuchte sie Eva, in ihrer Sterbe-nacht, im Traum und verabschiedete sich von ihr. Und versprach, daß sie an Evas siebten Geburtstag zurückkehren würde.

Eva wußte nicht so genau, was ihre Großmutter damit meinte. Sie freute sich jedoch, daß diese Nacht jetzt bevorstand.

Das Fenster stand einen Spalt offen. Der Vollmond stand prachtvoll leuchtend am Himmel. Ein Strahl des Mondlichts fiel ins Zimmer und wanderte zu ihr, bis er ihr Gesicht beleuchtete. Eva kicherte. Es kam ihr so vor, als wenn er ihre Wangen streicheln würde. Sie schloß die Augen.

Kurze Zeit später flatterte ein bunter Schmetterling durch den Spalt ein. Er folgte dem Strahl und schien es sich zum Ziel gemacht zu haben einen Abstecher bei Eva zu machen. Er setzte sich behutsam auf ihren Oberkörper. Dort verharrte er ganz still und unbeweglich. Eva bemerkte ihn nicht.

In Eva stieg eine angenehme Ruhe und Trägheit auf. Ihre Augenlider wurden immer schwerer. Und kurz bevor sie sie sich dem Schlaf hingeben wollte, nahm sie einen vertrauten Duft wahr.

Als sie ihre Augen öffnete, wußte Eva nicht, ob sie noch wach war oder schon träumte. Sie nahm staunend den bunten Schmetterling wahr. In diesem Moment, als sie ihn erblickte, breitete sich ein leuchtendes Funkeln vom Inneren des Schmetterlings aus.

Spiralförmig weitete er sich nach außen, begann zu strahlen und zu glimmen, bis er sich zischend auflöste. Und plötzlich nahm sie ihre Groß-mutter, wunderschön leuchtend, neben ihr auf dem Bett sitzend, wahr. Sie lächelte Eva an. Erst als sie Eva in dem Arm nahm, konnte sie es glauben, daß sie tatsächlich bei ihr war.

Wie von Zauberhand schwangen die Fensterflügel auf. Und ihre Groß-mutter ergriff ihre rechte Hand. Eva fühlte wie sie schwerelos wurde und sie gemeinsam mit ihrer Großmutter nach oben aufstieg. Sie schwebten aus dem Fenster in die dunkle und zugleich mondbeschienene Nacht. Diese war von funkelnden Sternen durchzogen, die Juwelen glichen, in ihrer kristallklaren und glitzernden Form.

Erstaunt stellte Eva fest, daß sie nicht die Einzigsten waren die, in dieser lauen Sommernacht, sich dem Mond und den Sternen entgegenbewegten. Soweit sie mit ihren Augen blicken konnte, sah sie wohl Großmütter, jüngere und ältere, kleinere und größere, in verschiedensten Körperformen, mit ihren Enkeln davonschweben.

© Elli (Elke Strohmaier)

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Bildquelle: Vanesa auf Pixabay

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3 Antworten zu „– Träumt wie die Kinder – Eva –”.

  1. Wie wunderschön, liebe Elli! Eine sehr hoffnungsvolle und zugleich tröstende Geschichte! Liebe Grüße Regina

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    1. Vielen Dank, liebe Regina ! Ich habe es nicht explizit reingeschrieben, aber es geht natürlich auch um Initation. Die Zahl 7 u.a. als Entwicklungszyklus. Herzlich grüßt dich, elli

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