Freddy hatte die offen stehende Türe zum Bad entdeckt und huschte durch den Spalt ins Innere. Er gehörte zu den Heimratten, die kleiner waren als ihre ursprünglichen Vorfahren der Wanderratten. Sein Fell war von einem glänzenden Schwarzton und in einem gepflegten Zustand.
Die Ratte sprang auf den Badewannenrand und kletterte geschickt darauf herum. Plötzlich stieg ihm ein Duft in die Nase, den er kannte. Er kam aus der offen stehende Toilettenschüssel. Freddy sprang und landete sicher auf dem Toilettensitz. Neugierig schaute Freddy hinein.
Und erkannte es als Apfelgeruch ! Er liebte Äpfel sehr. Und fragte sich, ob da unten vielleicht Äpfel herumschwimmen würden ?
Er zögerte, doch in dem Moment knurrte sein Magen und verstärkte den Impuls eine Antwort darauf zu finden. Mutig sprang Freddy in das unbekannte Naß und tauchte in die Tiefe hinab. Es war richtig dunkel da unten, das gefiel ihm. Aber Äpfel fand er keine ! Und als verwöhnte Heimratte bevorzugte er die Wärme. Und durfte in Clemens Bett, unter der Decke, schlafen.
Als Freddy einen Lichtstrahl von oben sah, entschloß er wieder aufzutauchen. Und schwamm um die Kurve, dem Hellen entgegen.
Frau Mayer saß in dem Moment gemütlich auf der Toilette und las ihr Frauenmagazin. So ein Toilettengang konnte bei ihr länger dauern. Und sie genoß ihn auch sehr, der Ruhe wegen. Ihre beiden Kinder spielten gerade friedlich auf ihrem Zimmer.
Plötzlich nahm sie Wasserbewegungen unter sich wahr. Erschrocken sprang sie auf, ein Schrei entstieg ihrer Kehle. Irgend etwas, was sich in der Toilette befand, versuchte einen Weg nach draußen zu finden.
Die Türe wurde aufgerissen und ihre Tochter Eva sprang in den Raum. Besorgt schaute sie ihre aufgeregte Mutter an und wollte wissen, was denn passiert wäre. Diese fühlte sich nur in der Lage zur Toilette hin zu zeigen.
Da sie ein mutiges junges Mädchen war, mit einem blauen Taekwando-Gürtel ausgestattet, schritt sie unerschrocken zur Toilette. Und sah ein schwarzes Etwas darin, das sich hektisch im Wasser bewegte. Es dauerte nicht lange und sie erkannte es als eine Ratte. Dies löste fast Panik in ihrer Mutter aus, doch Eva beruhigte sie und sagte, daß die Ratte keinen aggressiven Eindruck machen würde.
Freddy piepste, im Ultraschall-Bereich für Menschen leider nicht hörbar. Und wollte aus dem Wasser genommen werden. Und er hatte Glück: Eva schritt einfach zur Tat, zog die Gummihandschuhe an und hob ihn vorsichtig heraus.
Eva setzte die Ratte in die Badewanne und dachte, daß sie diese doch kennen würde. Und erzählte ihre Mutter, daß es die Heimratte von Clemens, aus ihrer Klasse, war. Die Familie wohnte neben ihnen. Vor ein paar Wochen stellten die Kinder ihre Haustiere, innerhalb eines Projekts, in der Schule vor. Und da führte Clemens Kunststücke mit Freddy vor.
Als Freddy seinen Namen hörte, fing er mit seinem Schwänzchen an zu schlagen. Dies hatte ihm Clemens beigebracht, daß wenn er wedelte, er ein Stück Apfel dafür bekam.
Eva stellte das Wasser in der Dusche an und erklärte der Ratte, daß er erst gewaschen werden mußte. Und Freddy ließ sich, ohne Widerstände, von Eva einseifen und abduschen. Sie schlug ein Handtuch um ihn und rubbelte ihn trocken.
Mit Freddy auf der Schulter sitzend, ging Eva in die Küche und schnitt ihm Apfelstücke zurecht. Sie setzte sich mit ihm auf dem Teppich im Wohnzimmer und warf ihm kleine Stücke zu, die die Ratte geschickt mit seinen Vorderfüßchen auffing und verspeiste. Bis er mit dem Näschen zu schnuppern anfing, sich zur Türe wendete und sich aufstellte.
Als Clemens in den Raum kam, sprang Freddy ihm freudig entgegen und kletterte auf seine Schulter. Die beiden nahmen Eva, auf dem Rückweg zu ihrem Zuhause, mit. Eva wollte unbedingt den Rattenschrank von Freddy, mit verschiedenen Etagen und Nischen, kennenlernen. Und vielleicht auch Clemens.
© Elli (Elke Strohmaier)
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Foto: Adobe Stock
Quelle: https://www.tierwelt.ch/
Priska Staud, Vizepräsidentin des Clubs der Rattenfreunde Schweiz
Die als Heimtiere gepflegten Farbratten werden in verschiedenen Fellfarben von schwarz, gescheckt, fahlbraun bis weiss gezüchtet. Sie gehen auf einstige Labortiere zurück und sind domestiziert, da sie seit Generationen in Menschenobhut nachgezogen werden und sich in einigen Eigenschaften an diese neuen Lebensbedingungen angepasst haben. Ihre Ursprungsform war die Wanderratte, welche heute noch verbreitet in der Schweiz vorkommt und beispielsweise nahezu unbemerkt in den Kanalisationssystemen lebt. Entwichene Farbratten können sich mit den frei lebenden Wanderratten kreuzen, wobei man laut Priska Staud merken würde, wenn ein farblich auffälliges Exemplar in freier Natur wilden Ursprungs ist. Es wäre extrem scheu.
Natürlich erfordern solche Tricks viel Training und Geduld, einen sorgsamen und zeitintensiven Umgang mit den Tieren. Es ist auch nicht garantiert, dass alle Individuen unter den Heimtierratten bei so etwas mitmachen würden. Doch so oder so geht eine grosse Faszination von diesen Nagern aus. Sie begeistern mit ihrem erstaunlichen Sozialleben, das auch Hilfsbereitschaft gegenüber den Gefährten einschliesst, und mit ihrer Lernfähigkeit, die über beigebrachte Tricks hinausgeht. Dabei ist es noch nicht so lange her, als Ratten mehr schockierten als Freude bereiteten und kaum als liebenswerte Heimtiere bekannt waren.
Die Pflege von Ratten ist durchwegs anspruchsvoll, erfordert einiges an Wissen über die Tiere und sehr viel Zeit. Auch können sich die Ratten – ebenso wie Mäuse – sehr schnell sehr stark vermehren, was bei mangelnder Kontrolle nur zu oft zu Vermittlungsnotfällen führt. Immer wieder ist der Club der Rattenfreunde mit solchen Fällen konfrontiert und muss dann Plätze für die Tiere finden. Ratten, welche die Clubmitglieder selber übernommen haben und pflegen, leben in grosszügig ausgestalteten «Rattenschränken» mit mehreren Etagen, Nischen und Rückzugsmöglichkeiten für die weitgehend dämmerungsaktiven Tiere. Eine solche Unterbringung erscheint besonders passend, denn Ratten schätzen dreidimensionale Raumstrukturen ohne Zugluft. Zudem erhalten sie artgleiche Gesellschaft, Freilauf, ein gutes Nahrungsangebot, tiermedizinische Betreuung und reichlich Einrichtungsgegenstände zur Beschäftigung.
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