Die rote Nora

Als die Schulglocke klingelte, schnappte sich Nora ihren Schulranzen und rannte durch die Klasserzimmertüre in den Flur. Sie wollte nur noch raus. Erst vor vier Wochen, nach ihrem Umzug, war sie in der neuen Schule, in der 3. Klasse, angekommen. Ihr Vater war Förster und ihre Familie und sie lebten, am Rande des Waldes, in einem Holzhaus. In ihrer alten Dorfschule wurde sie nie wegen ihrer feuerroten Haare geärgert. Man kannte sie, vom Babyalter an so, und nahm sie so an, wie sie war. Und hier in der Stadt war sie das Gespött der Klasse.

Wenn die Schule zu Ende war, dann ging sie meist noch in den Wald und streifte dort umher. Es gab noch so viel zu entdecken ! Die Tiere des Waldes verhielten sich ihr gegenüber langsam zutraulicher. Und einzelne Rehe kamen in ihre Nähe und beobachteten sie. Im Juli hatten sie ihre Rehkitze im hohen Gras abgelegt. Nora wartete schon neugierig auf die Zeit in der die Rehmütter zusammen mit ihren Rehkitzen durchs Gelände zogen.

Heute zog es sie zu dem alten Weiher, der im Naturschutzgebiet lag. Sie beobachtete sie die Kaulquappen und Frösche beim Schwimmen und Tauchen. Doch driftete sie immer wieder mit ihrer Aufmerksamkeit ab und dachte an die Menschen aus ihrem alten Dorf. Wie sehr sie sie vermißte.

Unerwartet tauchten in ihr Bilder von einer großen und hügeligen Wiese auf. Sie stand auf und ließ sich von ihnen leiten und tauchte tiefer in das Naturschutzgebiet ein.

Sie kam an eine Stelle, an der ein kleiner Hügel stand. Auf den ersten Blick sah er wie ein gewöhnlicher Hügel aus. Aber als Nora um ihn herum lief, fand sie darin eine kleine Höhle, in dem Erdhügel geborgen. Ob die Höhle wohl von einem Tier bewohnt war ? Sie holte ihre Taschenlampe, die sie immer mit sich führte, aus ihrer Schultasche. Und leuchtete vorsichtig in die dunkle Vertiefung hinein.

Als sie dort keinen Bewohner fand, krabbelte sie hinein. Die vielen Blätter auf dem Boden luden sie ein es sich bequem zu machen. Hier in der Höhle fühlte es sich viel wärmer an als draußen. Und sie genoß es sich hier zu verkriechen. Mit dem Blick nach draußen, auf die milde Herbstsonne, wurde sie müde und nickte ein. Kurze Zeit später wachte sie wieder auf. Sie konnte sie sich noch an einen Traum erinnern, in der alle Kinder in der Klasse rote Haare hatten. Sie mußte lachen. Schnell verließ sie die Höhle. Es war Zeit sich zum Mittagessen nach Hause aufzumachen.

Am nächsten Morgen ignorierte sie das Gewisper, das mit ihrem Eintreten in den Klassenraum begann. Sie setzte sich an ihren Platz. An dem Tisch neben ihr saß kein anderes Kind.

Als die Lehrerin den Raum betrat, erzählte sie den Schülern von einem neuen Mitschüler namens Niklas, der mit seinen Eltern hierher gezogen war. Sie erfuhren, daß er in wenigen Minuten bei ihnen sein würde. Kurz darauf klopfte es an der Türe. Und eine junge freundlich lächelnde Frau verab-schiedete sich von Niklas. Niklas betrat den Klassenraum. Und die Gesprä-che im Raum verstummten, in dem Moment, als er aufrecht und sicher bei der Klassenlehrerin stand. Nora glaubte ihren Augen nicht. Niklas hatte wie sie feuerrote Haare !

Sein Blick blieb gleich bei ihr hängen und er grinste. Als die Lehrerin ihn bat sich einen freien Platz auszusuchen, schritt er wie selbstverständlich zu Nora und setzte sich neben ihr an den freien Tisch. Nora musterte Niklas neu-gierig. Sie war sie sich sicher, daß die Zeit des Hänselns vorbei war. Jetzt hatte sie jemand an ihrer Seite.

© Elli (Elke Strohmaier)

Bildquelle: Mimzy auf pixabay



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