Lissy stand an ihrem Teleskop und beobachtete den Nachthimmel. Es war eine außergewöhnlich klare Nacht. Durchleuchtet von unzählig vielen funkelnden Sterne, die sie in ihren Bann zogen.
Sie wußte, daß man zur Adventszeit besonders viele Sternschnuppen am Himmel beobachten konnte. Der jährliche Meteorstrom der Geminiden war dann immer im Anflug. Und danach, kurz vor Heilig Abend, durchströmten die Ursiden den nächtlichen Himmel. All das hatte ihr, ihre Großmutter erzählt, dessen Leidenschaft für Sterne auch in ihr, bereits als Kind entfacht wurden.
Ihre Großmutter hatte ihr erklärt, daß Sternschnuppen kleine Stücke von Asteroiden oder Kometen sind, die in die Erdatmosphäre eindringen und dort verglühen. Und dadurch einen hellen Lichtstrahl erzeugen, die man als Sternschnuppe sehen kann. Wie magisch ! Und bei jeder Sternschnuppe sprach sie einen Wunsch aus. Nicht nur für sich, sondern auch für ihre Familie und Freunden.
Fast hätte sie die erste Sternschnuppe der Geminiden, welche am Himmel vorbeizog, verpasst. Sie war noch versunken in der schönen Erinnerung vom letzten Jahr. Der erste Wunsch stieg schnell in ihr hoch. Ein Bild vom Frühling. Narzissen, Krokusse und Tulpen, ausschlagende Bäume, wachsende Äste und spriesende Knospen im Zeitraffer. Sie öffnete die Augen und sah noch den vergehenden Lichtstrahl einer Sternschnuppe.
Und dann wurde es plötzlich leise. Sie vernahm keine Geräusch mehr um sich herum. Lissy fühlte sich wie in einer Zeitblase gefangen. Aber es machte ihr keine Angst. Die Zweige und Blätter von dem Baum in nächster Nähe, bewegten sich nicht mehr im Wind. Sie schaute nochmal auf die Stelle an der die Sternschnuppe erschienen war. Und wurde von dem warmen Licht, das von unten der Erde nach oben strahlte, überrascht. Was war das ?
Lissy entschloß sich in den Garten zu gehen und nachzuschauen. Leise bewegte sie sich durch das Haus ins Erdgeschoß um niemand aufzuwecken. Und trat durch die Türe nach draußen. Magisch, es fühlte sich absolut magisch an, umso näher sie der Stelle kam, die kreisförmig leuchtete. Das Leuchten schien vom Gras auszugehen. Als sie sich mitten ins Gras setzte, schien ein Hebel umgelegt zu werden. Wie im Zeitraffer stießen kleine Hyazinthen durch den Boden entfalteten sich in der Länge und dann in der Breite. Die Blüten gingen in einem strahlendem Lila auf. Zeitgleich erschienen die ersten Krokusse und Tulpen und blühten in verschiedenen Farben. Es fiel ihr auf, daß der Frühling, nur innerhalb dieses Kreises einzog.
Ein Baum, der am Rand stand, ließ Äste und Zweige neu wachsen. Die Knospen bildeten sich aus. Das Gras wurde durchwimmelt von verschiedenen Insekten. Die unter dem Gras, dem Laub oder der Rinde der abgestorbenen Bäume verborgen waren. Kleine Mäuse kamen aus ihrem Winterlager. Langsam lösten sie sich aus der Winterstarre und bewegten sich neugierig aus sie zu. Eine davon krabbelte mutig auf ihren Schoß und piepste sie an. Lissy kicherte über dieses außergewöhnlich wilde Treiben.
In ihr ertönte das leise Schlagen einer Kirchenuhr. Beim ersten Glocken-schlag konnte sie noch keine Veränderung um sich herum bemerken. Aber ab dem Zweiten schloßen sich die entfalteten Blüten der Blumen wieder und verschwanden langsam in der Erde. Auch die Bäume zogen die neuen Äste und Zweige wieder ein und die Insekten suchten ihre Verstecke auf.
Als die Glocke zum 8. Mal schlug, begannen die Mäuse zu ihren Winterlagern zurückzukrabbeln. Und beim zwölften Schlag erzitterte die Erde und entlud die gesammelte Energie in einem Lichtfeuerwerk das nach oben aufstieg und den Himmel, für einen kurzen Moment, erleuchtete. Kurz bevor sie ins Gras sank, konnte sie noch den verglühenden Himmelsschriftzug: „Sei du !“ erkennen. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein.
Ein paar Minuten später wachte sie wieder auf. Eine kleine Maus, hatte sich in einem Ärmel ihrer Jacke versteckt und knabberte sie sanft an. Der Boden war noch leicht erwärmt, doch der Winter war nicht die richtige Jahreszeit um im Garten zu übernachten. Sie dankte der kleinen Maus und nahm sie mit auf ihr Zimmer. Sie war so müde, daß sie schnell unter die Bettdecke verkroch und sich darin einkuschelte. Neben ihr lag die Maus, in einem Handtuch geborgen. Wenige Sekunden später glitt sie in einen Schlaf voller Träume.
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© Elli (Elke Strohmaier)
Bildquelle: wunderweib. de
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