Liam, ein Golden Retriever, befand sich noch im Halbschlaf. Er wühlte sich tief in die Kissen seines kuschligen Hundekorbs. Der melodiöse Gesang der Amseln drang an seine Ohren und holten Liam, nach und nach, aus seinem Dämmerzustand heraus. Zurück in die Welt der Sinne. Aber auch zurück in die Welt der Gefühle und Emotionen.
Wie sehr vermißte er Emily und Florian. Das waren die Kinder von seinem Michael und Anna. Seit August wohnten sie nicht mehr hier im Elternhaus. Sie hatten ein Studium, in einer Stadt weit weg, aufgenommen.
Kein morgendliches Getobe mehr in ihren Betten. Oder ein Überfall mitten in der Nacht. Sie waren nur noch eine halbe Familie. Er hatte gar keine Lust sich morgens aus seinem Korb zu erheben. Erst der Drang sein Geschäft im Garten zu machen, ließ ihn aufstehen. Sein Herrchen hatte schon davon gesprochen, daß er wohl in einer depressiven Phase war. Und wollte einen Hundeflüsterer für ihn engagieren. Was für ein Blödsinn ! Er brauchte eine neue Aufgabe !
Und als Erstes würde er seinen Plüschdackel, den er gestern im Wald verloren hatte, aufspüren ! Das alles war nur passiert, weil ein verlockend riechender Hasen gestern neben ihm vorbeigeflitzt war. Er hatte die Spur aufgenommen und war ihm hinterher gerannt. Mit seinem Kuscheltier im Maul. Und irgendwann fiel es aus seinem Maul. Das Schimpfen seines Herrchens, weil er einfach davonflitzte, hatte er einfach ignoriert.
Aber es war Samstag morgen und da stand Michael immer spät auf. Und so blieb er noch im Korb liegen. Und lauschte was für Geräusche von außen an seine scharfen Ohren gelangten.
Er nahm den Zeitungsboten wahr. Dieser fuhr quietschend um die Kurve, verlangsamte seine Geschwindigkeit. Und warf dann, im hohen Bogen, die Tageszeitung auf das Gras vor dem Haus.
Der Gesang der Amseln ging nun in einen zetternden Warnruf über. Die Katze des Nachbarns schlich bestimmt im Garten umher. Und kurz später, ertönte ein „tschaah-tscha“ von der Baumkrone. Dieser stammte von einer Elster, die in das Revier der Amseln eindrang.
Sein Herrchen lief nun schlaftrunken an ihm vorbei, um die Zeitung zu holen. In der rechten Hand trug er Liams Freßnapf. Kaum ging die Türe auf, nutzte er die Gelegenheit um mit ihm in den Garten zu gelangen. Nachdem er sein morgendliches Geschäft verrichtet hatte, wandte er sich seinem Freßnapf zu und ließ es sich schmecken. Auf dem Weg zurück ins Haus erblickte er die offen stehende Gartentür.
Er nutzte die Gelegenheit und lief, ganz selbstverständlich, aus dem Tor hinaus. Und weiter den vertrauten Weg in den Wald hinein. Schnüffelnd und ohne Ablenkung, versuchte er den Plüschdackel zu finden. Entlang dem Weg laufend, den er gestern mit Michael gelaufen war. Dann kam er an die Stelle, ab der er den Hasen verfolgt hatte.
Nun lief er kreuz und quer und schien den Hasenduft noch wahnehmen. Plötzlich kam ein leises Wimmern bei ihm an. Er stoppte, horchte genau hin und lief dann in Richtung des Geräusches. Das Wimmern wurde immer lauter und sein Schwanz fing automatisch an zu wedeln. Er begann zu ahnen von wem das Geräusch ausging. Die letzten Meter rannte er und dann sah er es: Seinen Kuscheldackel und daneben, ein kleines Hundebaby ! Ein Dackelbaby, welches sich an sein Kuscheltier drückte.
Schnell war er bei ihm und fing es an abzuschlecken. Das war seine neue Aufgabe ! Ein kleines Baby für ihn ! Nur für ihn ! Vorsichtig packte er es mit seinen Zähnen und fing an es heimwärts zu tragen. Den Plüschdackel würde er später holen. Direkt neben ihm stand sein Lieblingsbaum. An diesem hatte er schon ganz oft gepinkelt. Das große Geschäft mußte sein Herrchen ja immer mitnehmen.
Zielstrebig und freudvoll trug er den Findling nach Hause. Und stand vor verschlossener Türe. Vorsichtig legte er das Baby ab. Und bellte so laut er konnte. Kurz darauf ging die Türe auf. Und er flitzte mit dem Dackelchen in den Flur und trug es zu seinem Körbchen.
Da er nicht wußte, wie Michael und Anna auf den Zuwachs reagieren würden, verdeckte er es mit seinem Körper. Und leckte es hingebungsvoll ab. Jeder Versuch von Herrchen und Frauchen das kleine Ding zu streicheln, verhinderte er mit seiner Pfote.
Die beiden lachten nur und sagten zu ihm: „Keine Angst, wir nehmen dir das Dackelchen nicht weg.“ „So liebevoll, wie du es umsorgst, scheint es dir gut zu tun. Und holt dich aus deinem Trübsal heraus !“
© Elli (Elke Strohmaier)
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Fotoquelle: pinterest
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