Sie hatte sich im Gebüsch verkrochen. Und beobachtete von dort aus wie ihr Frauchen, die jetzt in einer Kiste lag, hinausgetragen wurde. Sie fühlte, daß eine große Veränderung bevorstand.
Es fing alles damit an, als ihr Frauchen an einem Morgen, als Leonie sich aus ihrem Korb erhob und zur Küche lief, noch nicht dort war. Das war ungewöhnlich für sie, denn sie war eine Frühaufsteherin. Sie schlich ins Schlafzimmer hinein und sah sie im Bett liegen. Sie bewegte sich nicht. Leonie maunzte sie vom Boden aus an. Denn ihr Frauchen Lena mochte es nicht, wenn sie aufs Bett sprang. Keine Reaktion.
Leonie war mit einem Sprung auf dem Bett. Beschnüffelte sie, bemerkte, daß sie nicht mehr atmete. Ihre Augen waren geschlossen, als wenn sie schlafen würde. Sie kuschelte sich in ihre rechte Armbeuge und war verunsichert. Ein unbekanntes Gefühl stieg in ihr auf. Leonie war noch müde und schlief ein. Als sie wieder erwachte spürte sie die Kühle, die von Lena ausging.
Lena brauchte einen Menschen, der sich um sie kümmerte. War das, was sie jetzt erlebte, das Gleiche, wie die Nachbarkatze Ariana erlebte ? Am nächsten Tag war sie unauffindbar. Sie schnappte das Wort Tierheim von Lena auf, die ihr versuchte das Verschwinden ihrer Freundin zu erklären.
Dann fiel Ihr der Nachbar mit dem Hund ein. Der Hund, ein Terrier namens Ricki, der sein Revier mit lautem Gebell sicherte und schützte.
Nun galt es ihn und damit den Nachbarn ins Haus zu locken. Sie lief in den Flur, die Treppe hinunter und war mit einem Satz auf dem Hocker, der seitlich zur Türe stand. Mit einem Sprung war sie bei der Türklinke und drückte sie mit ihren Tatzen nach unten. Und landete sanft auf dem Boden.
Sie glitt durch den Türspalt und schlich zum Grundstück vom Nachbarn. Und entdeckte sogleich den Terrier im Garten. Leonie bewegte sich provozierend langsam Richtung Zaun. Und ließ den Hund, der sofort anschlug, zuerst noch ein bischen bellen. Dann tat sie so, als wenn sie sich unter der Abgrenzung hindurchschieben wolle. Das war jetzt eindeutig zuviel für Ricky. Mit einem Sprung setzte er über den Zaun und verfolgte Leonie, die kurz vor ihm losgesprintet war.
Leonie erreichte als Erste das Haus und schoß durch die offenstehende Haustür und der Terrier knapp hinter ihr. Der Lärm, den sie beide machten, alarmierte das Herrchen, namens Ben, der sich noch in seinem Haus befand. Die Tür ging auf, Ben rannte zu Lenas Haus und traf dort kurz später ein. Er sah gerade noch Katze und Hund die Treppe hochflitzen und in einem Zimmer verschwinden.
Als Ben im Schlafzimmer ankam, waren Leonie und Ricky verstummt und saßen sich unbeweglich gegenüber. Ricky fing an zu wimmern. Ein Blick auf das Bett und Ben wußte was geschehen war. Er griff nach seinem Handy.
Leonie nutzte den Moment um zu verschwinden. Sie wollte weder ins Tierheim gesteckt werden noch bei einem anderen Nachbarn untergebracht werden. Sie verließ das Haus, es war bereits dunkel und bewegte sich zu den Schrebergärten hin.
Ganz gezielt steuerte sie einen Garten an, indem sie ab und an eine nette alte Dame angetroffen hatte. Meist war sie bei der Gartenarbeit. Immer wieder verwöhnte sie Leonie mit einer Dose Fisch. Heute konnte sie ihren Duft nicht wahrnehmen. Und sie verschwand in dem Gartenhäuschen, dessen Türe einen Spalt offenstand. Sie verkroch sich unter dem Bett und schlief, vor lauter Müdigkeit, umgehend ein.
Es war Morgen und die Sonne schien über die Schrebergärten und tauchte sie ins Lichte. Egon war auf dem Weg zu dem Garten seiner Großtante. Diese war vor kurzem gestorben und hatte ihm ein Gartengrundstück mit Häuschen vererbt. Hier hatte er, in der Kindheit, viele schöne Tage mit seiner Tante verbracht. Heute wollte er sich das Gartengrundstück genauer anschauen. Und sich überlegen was er daran ändern wollte. Die Gartentüre quietschte, als er die Klinke betätigte und hindurchschritt.
Leonie erwachte durch das Quietschen. Sie nahm wahr, daß ein Mensch sich auf den Steinplatten im Garten in Richtung Haus bewegte. Es war nicht die alte Dame. Sie hatte Hunger und wollte schnell das Grundstück verlassen. War aber neugierig und entschloß sich unter dem Bett zu bleiben. Und abzuwarten.
Jemand schwang die Türe auf und die Sonne erhellte den Raum. Sie wagte sich ein paar Schritte vor und konnte nun von unten Schuhe entdecken, große Schuhe. Sie bewegten sich zu den Gartenstühlen hin. Dieser Mensch zog einen Stuhl heraus und klappte ihn vor dem Eingang des Hauses auf.
Nun konnte sie mehr erkennen. Es war ein Mann, der sich auf dem Stuhl niederließ. Ein kleiner und schlanker Mann, mit hellen Haaren. Sie beobachtete ihn. Und nahm seinen Körpergeruch wahr, der angenehm war. Etwas zog sie zu diesem Menschen hin. Sie dachte wieder an ihr Frauchen Lena. Und wußte, daß sie zu ihrem Haus nicht mehr zurückkehren wollte.
Der Mann erhob sich aus dem Klappstuhl und trat wieder ins Haus ein. Etwas rutschte aus seiner Hosentasche und er beugte sich nach unten um es aufzuheben. In dem Moment trafen sich seine blauen Augen mit den grünen Augen von Leonie. Die Katze erstarrte. Als wenn er die Katze nicht gesehen hätte, ging er zu einem Schrank, nahm etwas heraus und ging wieder hinaus.
Leonie hörte ein Knacken. Kurz später erreichte ihr Näschen der verführerischen Duft von Fisch. Langsam erhob sie sich und lief hinaus. Der Mann lief langsam durch den Garten. Vor dem Stuhl lag ein großes Stück Fisch auf einem Teller. Das war bestimmt für sie. Woher wußte er, daß sie Fisch so liebte ? Sie ging zum Teller und fraß den Fisch auf. Währenddessen verfolgte sie, mit ihrem Blick, was der Mann tat. Er war bei den Rosen angekommen und roch an ihnen.
Vielleicht wird er mein neues Herrchen sein ? Als sie den Fisch verschlungen hatte, lief sie wieder ins Häuschen und machte es sich, unter dem Bett, gemütlich.
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© Elli (Elke Strohmaier)
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Fotoquelle: miezekieze auf pixabay
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