Pepes magischer Badebottich

Der mittelalterliche Weihnachtsmarkt, in einem kleinen Städtchen im Schwarzwald, war, bis auf einen noch leeren Standplatz, bereits vollständig aufgebaut.

Die Händler und Handwerker wunderten sich, daß Beppo, ein alter Zinngießer seiner Generation, noch nicht angereist war. Letztes Jahr hatte er seinen Stand, mit seinem Neffen zusammen, aufgebaut und durchgeführt.

Die Marktbeschicker trafen sich traditionell immer am Vorabend, vor der Eröffnung, am Lagerfeuer. Egon, der Marktleiter, erzählte, daß Beppo bereits zu Samhain, am 1. November, verstorben war. Viele waren tief betroffen und traurig. Kannten sie ihn doch schon seit Jahrzehnten. Und so gedachten sie an ihn und teilten untereinander ihre persönlichen Erinnerungen. Die Frage tauchte auf wer wohl den Platz übernehmen würde. Sie erfuhren nur, daß es ein Auswärtiger mit Namen Pepe sei.

Dieses Jahr stand der Weihnachtsmarkt unter einem besonderen Zeichen. Er fand zum 111 mal statt. Der besondere Charme des Städtchens war, neben den gepflasterten Straßen, Gässchen und Plätzen, geprägt von dem mittelalterlichen Stadtbild. Es gab viele Fachwerkhäuser die teilweise noch aus dem 15. Jahrhundert stammten. Diese wurden in der Nacht von den nostalgischen alten Straßenlampen beleuchtet.

Auch dieses Jahr waren wieder die Kupfer- und Silberschmiede und andere Handwerker mittelalterlicher Kunst, vertreten. Auch die Edelsteinhändler, Seiler und Besenbinder würden ab morgen wieder ihre Künste zeigen. Und die Kramer ihre Waren anbieten. Sie arbeiteten noch in und an ihren Buden, Hütten und Ständen um ihnen den letzten licht- und liebevollen Schliff zu verleihen. Bis Einbruch der Dunkelalter wollten sie fertig sein.

Um 19.00 Uhr erloschen die letzten Lichter auf dem Markt. Die Markttreibenden zogen sich in ihre Wohnwägen zurück. Nur wenige hatten sich in Pensionen eingemietet. Der Wachhund, der Fritz hieß, zog seine Runden schnuppernd über den Markt.

Kurz vor Mitternacht erhellte sich plötzlich funkelnd der leere Standplatz. Es war so ähnlich, wie wenn eine Wunderkerze angezündet wurde und sie zischend und funkenschlagend ein glitzerndes Feuer entfachte. Nur hier war es die Kraft von tausenden Wunderkerzen. Franz blieb still stehen und folgte gebannt dem Zauberwerk.

Als die Funken erloschen waren, war der Standplatz pötzlich mit einem alten hölzernen Wagen ausgefüllt. Er schien direkt aus dem Mittelalter zu stammen. Von ihm ging ein phosphoreszierende Leuchten aus. Der Name des Standes „Pepes Wunderbottich“ , war in rot geschriebenen Lettern auf einem Holzschild zu lesen. Der Eingang war mit einem grünem Tuch verhangen.

Einen Moment später erschien ein Mann im mittleren Alter, der das Tuch beiseite schob. Ausgestattet mit einem grünen, langen Gewand, das sich locker um ihn legte. Er lief zu dem Hund, kraulte ihn und fütterte ihn mit einem Würstchen. Die Starre in Fritz löste sich. Er wedelte kräftig mit dem Schwanz und freute sich so über diese Begegnung, als wenn er den Mann kennen würde.

Am frühen Morgen staunten die Marktbeschicker, als sie Pepes Stand erblickten. Das Innere des Wagens war jetzt einsehbar. Ein runder Holzbottich, der mit blubbernd grünen Wasser angefüllt war, stand bereit um es sich darin gemütlich zu machen.

Pepe trat heraus und erkannte, mit kundigem Blick, daß sein Kollege, Hubert der Kupferschmied, der sich leicht gebückt bewegte, Schmerzen im Rücken hatte. Er lud ihn sogleich ein, als Erster, die Heilwirkung des Bades, auszuprobieren. Hubert war einverstanden und er folgte Pepe ins Innere des Wagens. Auf diskreten Weg konnte er den Bottich besteigen und saß nun, sichtbar und ganz entspannt im Wasserbottich.

In der Zwischenzeit hatten sich die anderen Marktbeschicker vor Pepes Stand, mit einer Kaffeetasse in der Hand versammelt und verspeisten ihr Frühstück Neugierig warteten sie auf Hubert. Dieser trat, 30 Minuten später, strahlend und aufrecht gehend, durch die Türe und gesellte sich zu der Gruppe und berichtete wie gut es ihm gehen würde. Auch Pepe trat hinzu und wurde herzlich begrüßt und eifrig befragt. Die Rezeptur des Bades verriet er jedoch nicht. Einige schauten ihn stirnrunzelnd von der Seite an und dachten, daß seine Mimik und Gestik doch sehr dem verstorbenem Beppo ähnelte.

Pünktlich um 11.00 Uhr eröffnete am nächsten Tag der mittelalterliche Weihnachtsmarkt und die ersten Besucher schlenderten durch die Gänge und wurden mit einem „Seyed willkommen“ begrüßt. Und waren auf der Ausschau nach neuen Ständen wie auch nach Altbekannten.

Ein handbetriebenes hölzernes Karussell, zog die Kinder magisch an. Sie staunten über die Gondeln, die in Drachenform geschnitzt waren. Sie sahen so so echt und lebendig aus, so daß man sich vorstellen konnte, daß sie im nächsten Augenblick losfliegen würden.

Des öfteren blieben die Besucher vor Pepes Wunderbottich stehen. Nach anfänglichen Zögern und Zaudern trauten sie sich den Bottich zu besteigen. Das Heilbad wirkte nicht nur gegen körperliche Beschwerden, sondern war auch im geistigen und seelischen Bereich wohltuend und befreiend.

Im Gespräch mit Pepe erzählten viele danach, daß sie sich wie befreit fühlten. All ihre Sorgen, Ängste, Wut und Depressionen waren verschwunden. Ihre Augen strahlen und funkelnden vor Lebenslust. Schnell verbreitete sich die positiven Wirkungen des Bades. So daß Pepes Zauberbottich, ab dem folgendem Tag, ohne Pause von morgens bis abends belegt war.

Gegen Nachmittag zogen die Spielleute, mit ihren Flöten, Trommeln und Sackpfeifen durch die Menge. Die Gaukler trieben dazwischen ihre Scherze und trugen zur Belustigung des anwesenden Volkes bei.

Als dann in der Dämmerung die Fackeln, Kerzen und Öllampen entzündet wurden und flackerndes Licht an den Buden und Ständen warfen, war eine zauberhafte Magie auf dem Weihnachtsmarkt eingezogen. Feuer knisterten in der Dunkelheit. Es duftete nach Gewürzen, nach Met und all den Köstlichkeiten aus der Vergangenheit, die hier kredenzt wurden. Die Erwachsenen und Kinder saßen auf den Bänken, über ihnen Zeltdächern, die dem Sternenhimmel nachgeahmt waren. Und genossen die kulinaren Köstlichkeiten.

Erstaunt stellten die Marktbetreiber zum Ende des mittelalterlichen Weihnachtsmarktes fest, daß dieses Jahr, an jedem Tag bis in den Abend, der Himmel strahlend blau war und die Sonne schien. Das war, soweit sie sich erinnern konnten, noch nie vorgekommen.

Am Abend des letzten Tages verabschiedete sich Pepe von seinen Kollegen. Diese wunderten sich, da sie doch heute abend noch gemeinsam feiern wollten. Und erst am nächsten Morgen vor hatten die Zelte abzubrechen.

Doch Pepe verschwand, wie er angekommen war, in der Nacht mit einem knisternden Funkelfeuerwerk. Wieder war es nur der Fritz, der leise jaulend Pepes Davongehen erlebte. Die Marktbeschicker lagen, dank dem guten Bier und Wein, tief schlafend in ihrem Bett und träumten von der wunderbaren Weihnachtsmarktzeit, die sie gemeinsam erlebt hatten.

Und wunderten sich, am nächsten Morgen sehr, wie er, ohne Lärm und sie aufzuwecken, in der Nacht davongezogen war.

© Elli (Elke Strohmaier)

Foto: instagram



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