Der Hanf – Wolf-Dieter Storl

Bestimmte Pflanzen spielen in der Ernährung, in Märchen, Mythen und Sagen, in Zeremonien, Ritualen, im Zauber, im natürlichen Kalender, in der Heilkunde, im Orakel und in der Weissagung, in der Religion und überhaupt im symbolischen und kulturellen Kosmos der unterschiedlichen Kulturen eine wichtige Rolle.

Mit vielen verschiedenen Namen werden solche Pflanzen benannt, wobei jede Benennung etwas über die Eigenschaften und das Wesen der Pflanze aussagt. So sehen wir, dass Pflanzen nicht nur eine botanische oder pharmakologische Identität haben, sondern auch eine linguistische und eine kulturelle.

Diese Beziehungen zwischen Pflanze und menschlicher Kultur auszuloten, ist die vornehmlichste Aufgabe der Ethnobotanik. In unserem Kulturkreis war der Hanf, seit der Jungsteinzeit, also noch vor den Kelten, eine wichtige Kulturpflanze. Das belegen die auf 5500 v.u.Z. datierten Grabfunde aus Thüringen.

Die Germanen weihten die Faser- und Textilpflanze der holden Göttin Freya. Im vorchristlichen Kultus wurden die nahrhaften Samenkörner in den Nächten zur mittwinterlichen Sonnenwende, den Verstorbenen und Ahnen als Speise geopfert.

Für viele Naturvölker sind es die Toten, die vom »jenseits« aus, die Fruchtbarkeit im Diesseits bewirken: so ist es verständlich, dass Hanfsamen Fruchtbarkeit und Gedeihen symbolisierten. Die Gespinstpflanze Hanf machte die Fahrt auf dem offenen Meere möglich, denn aus seinen festen Fasern ließen sich Segel und Taue herstellen.

Später lieferte die Pflanze das Papier, auf dem die Bibel, das »Wort Gottes«, gedruckt wurde – so wurde der Hanf unwillkürlich auch Träger der sakralen Kultur des christlichen Europas. Über Jahrhunderte war der Hanf auch eines unserer wichtigsten Heilkräuter: In der deutschen Volksmedizin wurden bei Krämpfen und »wilden Wehen« Umschläge aus Hanfblättern um die betroffenen Stellen gewickelt. Auch legte man Gebärende auf Hanfwerg, damit sie der Krampf nicht befalle.

Ärzte der Renaissance, wie etwa Nicholas Culpeper, verschrieben u.a. die in Milch gekochten Hanfsamen bei trockenem Husten und Emulsionen aus Samen bei Leberblockierungen, Ausflüssen und schlechten »Humoren im Darm«. Seit Dioskurides (I. Jahrhundert n.u.Z.) wird bei Ohrenschmerzen der frischgepresste Hanfsaft in schmerzende Ohren geträufelt.

Trotz der gegenteiligen Behauptung von einigen akademisch gebildeten Potheads, spricht jedoch wenig dafür, dass der Hanf in der bäuerlichen Gesellschaft Nordeuropas geläufige Anwendung als psychoaktives Entspannungsmittel fand – es sei denn als Bierwürze.

Die weiblichen Hanfblüten können entspannend oder euphorisierende wirken.

Eine mächtige Medizin für Leib, Seele und Geist

Das war auch so nicht notwendig, denn die vorindustrielle Gesellschaft hatte zwar ihre Not und Härte, aber nicht den Stress, die permanente Anspannung des sympathischen Nervensystems, die den modernen urbanen Menschen plagt. Im 19. Jahrhundert war es zuerst die künstlerische Boheme und bald darauf die Ärzteschaft, die sich für die entspannende und euphorisierende Wirkung der weiblichen Hanfblüten interessierte.

Queen Victoria behandelte ihre prämenstruellen Beschwerden mit Hanfextrakten, und ihr Enkel Kaiser Wilhelm tröstete sich mit Hanfzigaretten über den Verlust von Reich und Glorie hinweg. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts sah es so aus, als hätte der Hanf als Faserpflanze sowie als Heilpflanze eine große Zukunft vor sich. Aber dann – aus inzwischen bekannten kommerziellen, politischen und ideologischen Gründen – wurde die einst heilige Pflanze verteufelt. Auch das ist Kulturgeschichte, ist Ethnobotanik.

Nach indischer Erkenntnis verstärkt Hanf die schon vorhandenen seelischen Anlagen. Der Sadu kann rauchen, da er in seinem Selbst, in Shiva, zentriert ist. Derjenige, der nicht zentriert ist, kann dem Wahnsinn verfallen. Auf diese Weise schlagen die Götter jene, die boshaft und lieblos sind, mit Wahnsinn und zerstören sie. Der Missbrauch von Ganja durch unlautere Menschen gilt als Merkmal des Dunklen Zeitalters des Kali Yuga.

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Infoquelle: Wolf-Dieter Storl

Fotoquelle: Wolf-Dieter Storl/satheeshsankaran pixabay

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Wildkräuter

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2 Antworten zu „Der Hanf – Wolf-Dieter Storl”.

  1. Gerne weise ich an dieser Stelle auf das sehr lesens- und wissenswerte HANF-Buch von Ute Woltron hin.

    Ute Woltrons Buch ist eine Hommage an den Hanf. Elegant mäandert sie zwischen kulturhistorischen und botanischen Hanfbetrachtungen, persönlichen Hanfanbauerfahrungen, Hanfzubereitungen und den segensreichen natürlichen Heilwirkungen des Hanfs.
    Nachfolgend der Link zu meiner Buchbesprechung: https://leselebenszeichen.wordpress.com/2021/09/02/hanf/

    Nachtaktive Grüße von
    Ulrike

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    1. Vielen Dank, liebe Ulrike ! Herzlich grüßt dich, Elli

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